Montag, 20. August 2012

Zwanzigster August Achtuhracht

Heute war ich die Erste in der Gartenanlage. Alles war noch ruhig, sogar die Hummeln schliefen noch, als ich den Amselweg zu unserer Gartenlaube entlang lief. Die Sonne lockt derzeit betäubende Düfte aus den Rosen, Astern und Gladiolen - und unbeschreibliche Farben. An solchen Tagen ersetze ich den Frühsport mit den Stöcken durch Schwengeln mit der Pumpe und anschließenden Workout mit der Kanne. Das frühe Gießen hat den schönen Nebeneffekt, dass es die Umgebung angenehm frisch und kühl macht. Dieses Gefühl hält nur ein Stündchen an. Genau die richtige Zeit für ein kleines Frühstück im Garten, bevor ich mich mit dem Computer in die Laube zurückziehe und die Vorzüge des mobilen Büros genieße.

Zum Frühstück erntete ich eine gelbe Paprika, eine hammermäßige Zucchini und einen hellgelben Apfel. Damit kommt man doch schon mal ein Stück weit. Außerdem gab es Aprikosenmarmelade mit Lavendel, die mir eine Freundin geschenkt hat und ein Stück Bergkäse vom Wochenmarkt. Dazu las ich einen schönen Artikel über eine hundertdreißig Jahre alte Apfelweinkneipe im Offenbacher Nordend, der ich bald einmal wieder einen Besuch abstatten werde. Es ist erstaunlich wie anders man auf diese Weise in den Tag hineinkommt. Ich hoffe, dass mich dieses Gefühl durch den heißen Tag hinweg trägt.



Freitag, 17. August 2012

Bahnhofsviertelnacht oder voll das Leben

Ich weiß nicht so genau, was an der Bahnhofsviertelnacht anziehender wirkt: Die Öffnung von Tür und Tor, auch seitens halbweltlicher Vergnügungsstätten, in die man sonst nicht reinkommt oder die Menschen an sich. Für mich war es gestern eindeutig letzteres. 




Ich kam am späten Nachmittag mit der Linie 11 in der Münchener Straße an und blieb erstmal am Schaufenster von Schuh-Krolla hängen. Da standen ein Paar hübsche Sandalen. Der Unterhaltungswert beim Schuhkauf mit einem Graupapagei, der die Straßenbahn nachmacht und dem liebenswerten Ehepaar, das den Schuhladen betreibt, war den Ausflug schon wert - und macht deutlich, was Online-Shops nicht bieten können - pures Leben. Und davon gibt es im Bahnhofsviertel eine ganze Menge. Mit meinen Sandalen im Rucksack wanderte ich erstmal die Weserstraße runter, Richtung Kaiserstraße zum Eis-Fontanella. Dort genehmigte ich mir unter schattenspendenden Schirmen einen großen Eiscafé. Die Sonne glänzte auf den Erkerchen der letzten großen Stadthäuser einer längst vergangenen Epoche und den Glasfassaden der Banken, die auch nach Jahren immer noch wie Eindringlinge wirken. Und allein dieser Kontrast sagt viel über die heutige Struktur des Viertels, aus dem die Einwohner einst weichen mussten, weil ihre Häuser zu Spekulationsobjekten wurden. Hier zu sitzen bedeutet auch immer, sich einem leisen Schmerz auszusetzen, einem Schmerz, der in der Freßgass oder am Römer ausbleibt. 



Dieses Gefühl hat auch mit den Menschen zu tun, die hier tatsächlich wohnen und die immer genau das spiegeln, was mit dem Viertel wirklich los ist. In so einer Nacht wie der gestrigen kommen viele Ortsfremde, um einmal mit einem Auge in die Wirklichkeit zu spähen, erlaubterweise durchs Guckloch zu gucken. Dafür warteten in der Moselstraße, wo ich wenig später umherstreifte, lange Schlangen im Hof der Karmeliterschule. Sie waren dann, mit grünen Halsbändchen ausgestattet, die ganze Nacht hindurch gut zu erkennen, so dass man ihnen ausweichen konnte. Ich ließ mich für ein Glas in der Nachbarschaft bei Walon & Rosetti nieder, um das Treiben zu beobachten. Unter den Menschen waren, so schien mir, viele Angestellte aus dem nahen Bankenviertel, die aber doch nie gewisse Grenzen und Straßen überschritten. Viele von ihnen in Kostümchen und Anzug. 

Es wurde langsam richtig voll und ich beschloss etwas essen zu gehen, solange es noch freie Plätze gab. Mein Ziel lag in der Elbestraße bei Pak Choi, einem Lokal mit original nordchinesischer Küche. Die Qualität der Restaurants auf engem Raum machen einen Gutteil des Bahnhofsviertelflairs aus und ziehen auch mich immer wieder hierher. Auch, weil die Restaurants  ein hervorragender Ort sind, um Menschen aller Nationen zu studieren. 


Gestern ungewöhnlich viele Deutsche. Vielleicht ist Neugier  eine typische Eigenschaft, aber auch Sensationslust. Jedenfalls saß ich nicht lang allein. Zwei Damen, die in der Nähe arbeiteten und irgendwo im Landkreis lebten - eine von ihnen wirkte harmlos genug, um aus dem Kinzigtal zu stammen - setzten sich an den Nebentisch. Die Kinzigtalerin begann mich neugierig nach Sehenswürdigkeiten auszufragen. Beide hatten bei einer Führung mitgemacht und bemängelten, dass man alles eigentlich nur von außen zu sehen bekäme. Allerdings hatten sie auch den "Druckraum" in der Niddastraße besucht oder jedenfalls davor gestanden. Die Kinzigtalerin erzählte, dass ein junger Mann sich wegen der Besucher beschwert und gesagt hätte, er käme sich wie im Zoo vor. 

Ich frage mich, was die Leute dazu treibt, sich solche Stätten anzusehen. Ist es das Leid der Anderen oder ist es einfach nur das Leben, das sie wenigstens einmal von der Nähe aus sehen möchten? Vielleicht sollten sie einmal ihr gemütliches Kinzigtal verlassen und sich hier einmieten. Über dem Pak Choi ist eine Wohnung frei. Vielleicht reicht es auch schon, ab und zu in der Mittagspause mal nicht in die bankeigene Kantine zu gehen. Dem Viertel kann weitere Bevölkerung nur nützen.





Mittwoch, 15. August 2012

Maschinen, Meermädchen, Markt und Mäuse

Gestern kam alles anders: Morgens wachte ich auf, weil mein iPhone nicht klingelte. Es zeigte stoisch ein schwarzes Display und blieb stumm. Selbst nachdem ich alle Tasten mehrmals langanhaltend oder kurz, einzeln und zusammen gedrückt hatte. Es half alles nichts. Und das an einem Tag, an dem fast ausschließlich Außentermine in Frankfurt anstanden. Was also tun, wenn die Technik versagt?

In so einem Fall können altmodische Nachbarschaften helfen, dachte ich mir, machte mich  ausgehfertig und lief hinüber in den Starkenburgring 79. Vom Abend vorher wusste ich, dass Marina auf den Markt wollte, um Zutaten für ein neues Chutney der Marke Genusswolke einzukaufen. Ganz in der Nähe gibt es auch einen Laden für die Techno-Variante des Apfels, wo ich mit meinem ledierten iPhone Hilfe suchen wollte. 

Wenig später liefen wir die Darmstädter runter Richtung Markt. Noch war es bewölkt und nicht klar, dass es ein heißer Tag werden würde. Auf der Bismarckstraße zeigte ich Marina eines meiner Lieblingshäuser - die Nummer 123, direkt neben dem alten jüdischen Friedhof. Das große Eckhaus von Architekt Max Schroeder aus dem Jahr 1904 leuchtet gerade frisch sandgestrahlt in hellem Ocker. Es war einst das Wohn- und Geschäftshaus des Lederwarenfabrikanten Friedrich Leißler und enthält wunderschöne Fassadendetails wie ein kleines geflügeltes Meermädchen. 





Wir ließen es links liegen und liefen die Mittelseestraße runter, in der sich einer der ältesten Offenbacher Bioläden, namens Holunder, befindet. An der Bleichstraße bogen wir rechts ab und näherten uns dem Markt von hinten. Dort herrschte verhaltenes Treiben, wie meist an den Dienstagen, so dass wir uns die schönen Waren in Ruhe ansehen konnten - und das ist im Moment eine  Freude: Mirabellen, Reineclauden, Pfirsiche, Heidelbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren - und natürlich Tomaten in allen Farben und Formen. Marina kaufte rote Beete und frischen Meerrettich, ich Heidelbeeren, Tomaten und ein Makrönchen beim Bäcker. 



Mit dieser Beute zogen wir in ein Café vor dem Aliceplatz, tranken Espresso und naschten aus unseren Tüten. Hier beobachteten wir eine vietnamesische Familie, die ihren Sprössling mit sehr schmaler Schultüte zur Einschulung begleitete. Der Papa schulterte noch das Ränzlein. So überbrückten wir die Zeit zu den Ladenöffnungszeiten und wanderten dann in Richtung Geleitsstraße, in der sich ein Apple-Lizenz-Store befindet. Dort konnte meinem iPhone, dass noch aus einer frühen Generation stammt, tatsächlich geholfen werden. 

Frohgemut traten wir den Rückweg an, der uns durch die Hospitalstraße führte. Gegenüber dem Pianohaus Guckel entdeckten wir mitten auf dem Trottoir eine Maus, die keine Anstalten machte zu verschwinden. Bei näherem Hinsehen fragten wir uns, ob es sich bei dem Tierchen wirklich um eine Maus handelte oder nicht vielleicht um ein kleines Rättchen. 

Jedenfalls war diese kleine Tour durch die morgendliche Stadt ein schöner Tagesbeginn, der mir genug Schwung für den Rest mitgab.



Montag, 13. August 2012

Zur Hochzeit der Tomaten

Gestern führten mich eine unschuldige E-Mail-Einladung und das schöne Wetter zum Hoffest bei der Tomatenkönigin Heidi Jung in Oberrad. Vom Buchrainweg sind es kaum zwanzig Minuten Wegzeit zu den Gewächshäusern. Einzige Hürde, die zu überquerende Autobahn. Aber, wenn man dann durch die Wiesen, in der sehr treffend benannten Zufahrtsstraße, im Teller 2 ankommt, kann man das schnell vergessen. 


Denn, hinter der Hofeinfahrt, in der sich kleine Verkaufsstände und Menschen drängeln, tut sich ein eigenes kleines Reich auf: Das Tomatenparadies von Heidi Jung - fast so schön wie der Palmengarten - nur, mit essbaren Pflanzen. Die Offenbacher kennen die Heide alle bestens vom Wochenmarkt und ein Stück weit ist es sicher auch ihr Werk, dass besonders alte und buntfarbige und lustig geformte Tomatensorten derzeit eine Renaissance erleben. 

Also, hinein ins Getümmel, vor den blauen Kisten mit den wunderbaren Namen wie Andenhorn, Ochsenherz, Stierhoden oder Venusbrüstchen in leuchtendem Orange. Über 100 Sorten sollen hier auf dem Gelände zwischen Offenbach und Frankfurt wachsen. Und was das schönste ist: Man darf sie mit allen Sinnen entdecken. In der hochsommerlichen Sonne duften sie verheißungsvoll, so wie eben nur Tomaten. Ich lasse mich von der Schlange weiter in Richtung Garage treiben und mir ein Tütchen füllen, schön gemischt - natürlich auch mit ein Paar der Hauszüchtung "Heidi". 

Das Anstellen lohnt: Denn vorne gibt es einen schmackhaften Begleiter zu kosten: Käse - aus der Käserei L'Abbate. Ich liebe die gegrillte Ricotta mit Kräutern und lasse mir von Giuseppe einen Käsesteller machen. Marina Caktas, alias Genusswolke, gibt das i-Tüpfelchen in Form von Apfelweingelee und einem Pesto aus den Kräutern der Grünen Sauce obendrauf. 

Mit diesen Gaumenfreuden lasse ich mich auf einer Bank, an einem der Gewächshäuser nieder. 













Und wie's der Zufall will, sitze ich am Tisch mit sehr freundlichen Leuten aus Rumpenheim, die heute im alten  Fachwerkhaus meiner längst verstorbenen Urgroßtante Elly Winkler in der Dörnigheimer Straße 4 eine kleine Weinhandlung, die Cantina Piemontese, betreiben. Unnötig zu sagen, dass es genug Gesprächsstoff gibt, auch unnötig zu sagen, dass bald ein Ausflug nach Rumpenheim ansteht.





Donnerstag, 9. August 2012

Neunter August Zehnuhrfünf

Es herrscht leichter Niesel bei verhangenem Himmel auf meinem Weg in den Park. Ich überlege kurz, ob ich das sizilianische Regencape holen soll, aber dafür ist es zu wenig. 

Am Parkeingang neben der Wiese mit den wilden Löwenmäulchen, die bis auf die Straße wachsen, überholt mich eine Frau mit bunter Tasche. Sie lacht mir aufmunternd zu. "Genau die richtige Luft", sagt sie mit einem Nicken zu meinen Stöcken hin. Wenn sie meint, denke ich. Könnte schöner sein, aber das schöne Wetter ist ja schon seit Tagen auf dem Weg zu uns. 

Am Schutzgitter vor dem Teich sehe ich einen kleinen braunweißen Beagle im Gebüsch, der mir bekannt vorkommt. Das ist doch Chira, denke ich und wandere an der Leine entlang mit dem Blick nach oben, um mir den Mensch dazu genauer anzusehen. Schwarze schulterlange Wellen. Und ja, es ist Astrid Merger. Sie ist Modedesignerin mit einem Atelier und einem Modegeschäft in der Stadt. Ich habe einige schöne Sachen von ihr. Wir begrüßen uns und ich denke, dass ich doch nie ohne Schminke aus dem Haus gehen sollte. "Die Chira habe ich gleich erkannt", sage ich. "Ach und mich nicht?", entgegnet Astrid. Wir lachen. Zwei Radfahrer sausen vorbei. Astrid zieht den Hund etwas näher ran. Es folgt ein kleines Gespräch über das meist nicht so gute Verhältnis von Radfahrern zu Hunden und über Weisheitszähne. Denn sie hat gerade so eine unliebsame Zahn-OP hinter sich. "Jetzt noch?", frage ich, weil das bei mir schon fünfzehn Jahre her ist. "Ja, bis jetzt war ich weise", meint sie und wir kichern leise. Ich frage sie, ob sie oft hier ist. "Ja", antwortet sie. "Das ist unser Park." "Meiner auch", antworte ich und finde es interessant, wie viele Leute hier tagtäglich herkommen und den Dreieichpark als ihr kleines ganz eigenes Refugium betrachten. Gar nicht vorzustellen, wenn er nicht da wäre. Wir verabschieden uns und ich setzt meinen Weg weiter fort. 


Am Schlangenbrunnen ist eine Pappel gefällt worden und liegt schon in Stücken da. Ein kleiner Bagger kommt durch die Platanenallee und beginnt die Baumstämme aufzuladen. Ein faszinierendes Schauspiel, dem ich eine Weile zusehe. Währenddessen kommt mir die Frau mit dem großen weißen Hund entgegen. Auf dem Rückweg denke ich darüber nach, wie seltsam es ist, dass man  die Menschen immer an ihren Hunden erkennt. 



Mittwoch, 8. August 2012

Achter August Elfuhrelf

Gestern führte mich ein Termin bei der Filmproduktion Fenchel & Janisch auf die Mainzer Landstraße und also durchs Gallus. Hier war ich schon einige Jahre nicht mehr unterwegs. Wahrscheinlich ungefähr zehn. Einige denken vielleicht, ist auch kein Verlust. Aber, ich fand meinen Rückweg zum Hauptbahnhof durch die Ottostraße gestern ausgesprochen anregend. Es gibt hier eine ziemlich bunte Mischung aus Jetzt und Früher zu entdecken. Und ich war bestimmt nicht zum letzten Mal dort. 

Beginnen kann man zum Beispiel gleich an der Ecke Mainzer Land- und Ludwigstraße, die mit ihrem Mix aus Jahrhundertwendehäusern und glattrenovierten Fassaden aus den Sechzigern auf das schicke Äpplerglas am Westhafen zuläuft. Hier gibt es eine Art Zwischending aus Café und Imbiss, mit Namen "Kleine Anna". Eine mit grünen Markisen und bunten Sitzbänken in den großen Fenstern sehr liebevoll aufgemachte Rastmöglichkeit. 

Etwas weiter, in der Ottostraße, mit ihrer teils renovierten, teils heruntergekommenen klassizistischen Bebauung, leuchtet auf der linken Seite gänzlich graffitiverziert ein scheinbar verlassenes Haus. Meine Freundin, deren täglicher Arbeitsweg durch diese Gegend führt, nennt es das "Taubenhaus". Sie hat mir  oft davon erzählt und ich wusste nie so genau, wo das sein sollte. Selbst, wenn dieses Haus irgendwann einem anderen Zweck zugeführt würde, sollte die bunte Front erhalten werden, finde ich. 



Gegenüber lockt das rote Emblem IMA und auf meiner Straßenseite laufe ich durch die Sitzreihen eines Italieners "Punto Pasta", der auch keinen schlechten Eindruck macht.
Die ganze Ottostraße scheint ein kleines von Bankern unentdecktes Fressparadies mit moderaten Preisen zu sein. An manchen Ecken, so an der nächsten zur Niddastraße, finden sich allerdings auch noch zwielichtige Kaschemmen, vor denen Männer gelangweilt herumlungern. Wenig später kommen gegenüber ein paar Hotels: Das "Bova" und das leuchtend weiße "Cristall". Das "Bova" hieß früher "Prinz Otto" - schade um den Namen, mal wieder, "Bova" ist so nichtssagend. 



Ein paar Rucksacktouristen kommen mir entgegen und ich stelle mir vor, dass viele von ihnen auf diesem von der Tourismusförderung unerwünschten Wege Frankfurt entdecken, weil sie einfach die Ottostraße in der falschen Richtung entlanglaufen. Ich werde diesen antitouristischen Pfad demnächst auch nochmal nehmen - mit etwas mehr Zeit. 

Denn gestern musste ich die "Kleine Anna" leider links liegen lassen, da ich auf dem Weg ins nach diesem Kontrasterlebnis beinahe allzuhübsche Bornheim war.

Dienstag, 7. August 2012

Siebter August Neunuhrsechs

Der Himmel trägt ein transparentes Blau, aber der Wind treibt Wolken darüber und so bleibt abzuwarten, ob die Sonne heute durchkommt. Auf meinem Weg zum Kaiserlei versuche ich Tempo zu machen und auch den anderen Menschen geht es heute so. Alle flitzen geschäftig an mir vorbei. 

Oben am Schlangenbrunnen liegt ein Kopfkissen auf einer Parkbank. Gerade so, als habe jemand dort die Nacht verbracht und es nach dem Aufstehen wieder in Form geschüttelt. Ob hier wirklich des nachts jemand auf der Bank schläft? Das dürfte die letzten beiden Nächte sehr feucht gewesen sein. Hart ist es sowieso. Das Kissen scheint aus dem nahen Altkleidercontainer zu stammen, der sehr oft ausgeräumt wird.   Die einen schmeißen es weg, die anderen holen es raus. Ein Irrsinn ist das. Gibt es dafür keine andere Lösung, frage ich mich.


Auf dem Rückweg entdecke ich im Park einen schönen Hibiskus. Lilarosa steht er jetzt in voller Blüte und leuchtet aus dem grünen Gras. Dahinter schwingt sich der Bogen der Betonbrücke in die Landschaft. Ein moderner Monet würde das wohl malen.


An meinem Lieblingsplatz vor dem Teich treffe ich Selvinaz, mit ihren drei Rehpinschern. Sie war zwanzig Jahre lang Pächtern des Café Starkenburg. Im letzten Herbst hat sie die Pacht verkauft. Der neue Besitzer hat es umgetauft in Café Izmir. Und eine neue Beschriftung an der Fensterscheibe angebracht. Sonst hat sich nicht viel geändert. Aber, viele der alten Gäste gehen nicht mehr hin. Dass er Türke ist, kann nicht der Grund sein. Selvinaz ist auch Türkin. Aber der andere Name funktioniert nicht. Viele vermuten wohl einen Kebabladen. Und da gibt es schon einen guten, um die Ecke. 


Das ist nur ein Alltagsbeispiel. Aber, es zeigt anschaulich, wie diffizil Namensgebungen funktionieren. Man sollte sich gut überlegen, ob man einen eingeführten Namen aufgibt. 




Montag, 6. August 2012

Sechster August Neunuhrfünfundzwanzig

Nach einem heftigen Gewitter in der Nacht, kräuselt das Wetter die Haare. Aber, mein blaues Regencape, in den Achtzigern in Sizilien gekauft, leistet mir gute Dienste. Vielleicht sollte ich mal ein neues kaufen? Ich zögere, es ist so schön retro: Dunkelblau und am Reißverschluss vorne mit rotgelben schmalen Streifen aufgepeppt. Das Schönste sind die weißen Plastikbommln zum Schnüren der Kapuze. Damals gab es noch gar keine Outdoor-Kleidung, höchstens einen Anorak oder eben ein Regencape. Das Regencape ist aus Céfalu. Mit ihm laufe ich nun ziemlich oft durch den Dreieichpark. 

Der Dreieichpark ist mein kleines Refugium. Dort kenne ich alle Wege und entdecke doch immer wieder Neues und Fremdes. Je nach Jahreszeit und Bevölkerung von Tieren und Menschen. Die Menschen laufen das ganze Jahr hindurch zur Straßenbahnhaltestelle der Linie 16 oder zum Kaiserlei. Dann gibt es die Menschen mit Hunden. Die laufen nach rechts zum runden Brunnen und dem weißen Pavillon. Dazwischen liegt die große Wiese. Außer den Hunden gibt es eine Menge anderer Tiere: Eichhörner, Nilgänse, Enten, Moorhühner, Kleiber, Rotkehlchen, irgendwelche Finken und einen Fischreiher. Ach ja - und Raben. Sie räumen gemeinsam mit den Enten die Mülleimer aus. 

Heute gehe ich einen ungewohnten Weg, weil eine Business-Lady auf dem Hauptweg mit den Absätzen klappert und mich mit meinen Stöcken aus dem Takt bringt. Ich wandere am Pavillon nach rechts, Richtung Rosenheim-Museum und gehe hinter der schönen alten Villa Jäger vorbei, in dem sich das Museum befand. Es steht nun wohl zum Verkauf. Es ist ein geheimnisvolles Haus und ich stelle es mir innen sehr schön vor. Wie schön wäre darin ein Kaffeehaus, vielleicht mit kleiner Gedenkstätte für die Schriften des in Offenbach geborenen Philosophen Philipp Mainländer im ersten Stock. Vor dem Café wäre direkt die Wiese, man könnte schöne altmodische Gartenmöbel aufstellen und altmodischen Kuchen verkaufen. Wenn mir doch einer dafür 1-2 Räume im Parterre dafür vermieten würde.



Freitag, 3. August 2012

Dritter August Neunuhrdreißig

Der Himmel ist von einem unglaublichen Blau, wie im Süden. Ein Licht fast so, wie es Van Gogh in Südfrankreich beschrieben hat. Auf meinem Weg durch den Park überhole ich eine Frau mit einem kleinen lila Rollköfferchen. Aus einer lässig offen stehenden Reisverschlusstasche lugen Espandrilles. Sie geht leicht und beschwingt. Sicher ist sie auf dem Weg in den Urlaub. Vielleicht sogar gerade nach Südfrankreich, in ein kleines Häuschen, in einem kleinen provencalischen Ort, wo sie schon viele Jahre hinfährt. Sie fährt allein, um ungestört zu lesen, zu schreiben und französisch zu plaudern. Geradeso wie ich es machen würde - wenn ich jetzt Urlaub hätte. Am kleinen Teich gehe ich an sonnengelben Wildblumen vorbei. Das Wasser steht so still, dass sich die Häuser spiegeln. Bei diesem Wetter scheint den Dingen Ruhe und Schönheit innezuwohnen. Und vielleicht muss man gar nicht bis nach Südfrankreich. 


Weiter hinten auf dem Weg Richtung Kaiserlei holt mich Eva ein, eine Exkollegin. Sie ist schick zurechtgemacht, wie es sich gehört, auf dem Weg zur Arbeit. Wir gehen ein Stück nebeneinander her und sie erzählt vom Urlaub in Kalifornien. Es fällt ihr etwas schwer, bei diesem Wetter den Weg zum Büro fortzusetzen und ich meinerseits denke mir, wie schön es doch ist, dass ich in mein eigenes kleines Büro zurückkehren kann und sie nicht begleiten muss, wie all die Jahre früher. 


Im Buchrainweg statte ich für ein Foto noch der Nummer 29 einen Besuch ab. Auf dem kurzen Wegstück fällt mein Blick auf ein kleines weißes Plakat an einem Zaun. "Könnt' Goethe seinen Turm noch seh'n - er würd' die Welt nicht mehr versteh'n..." Eine Inschrift gegen die neue Landebahn. Die Menschen fangen schon an zu dichten deswegen und setzen diese Veränderung in die Zeitgeschichte. Schlimm ist das.






Donnerstag, 2. August 2012

Zweiter August Achtuhrdreiundfünfzig

Heute schreibe ich direkt in die Tastatur meines Notebooks und direkt ins Blogformat, ohne den Umweg über die Handschrift. Mal sehen, ob das anders ist. Ich glaube ja, dass der Gedankenfluss über das Schreiben mit der Hand stärker angeregt wird. Außerdem stirbt die Handschrift aus und da muss man doch ein bisschen dagegen ankämpfen, zumal, wenn man in einer Stadt lebt, wo Typografie und Schrift so eine Bedeutung haben wie in Offenbach und noch dazu in einer Straße wohnt, wo Rudolf Koch, der Erfinder vieler heute noch gängiger Schriften, gewohnt hat. Wohl in der Nummer 29.


Genau auf der Terrasse dieses schönen Jugendstilhauses von 1902 durften wir gestern Abend auf der Terrasse sitzen. Die Nacht war hell und verging im Flug, bei Wein und Urlaubsgeschichten. Das alles trefflich untermalt vom süßen Duft aus den langen Kelchen der Trompetenbäume. Es war eine seltsam stille Nacht, fast lauschig, wie sie hier selten geworden sind.

Derweil spielt sich hier vor meinem Fenster schon so einiges ab. Der Wind schiebt Wolken über das Blau. Die blonde Nachbarin versucht, ihre winzigen Dackelhunde auszuführen, doch wie üblich verheddern sich ihre Leinen und sie muss sie entwirren. Der Postbote hält vor dem Haus Nummer elf gegenüber. Und auch ich muss mich ranhalten, denn mittags steht eine Fahrt nach Frankfurt an. 


Mittwoch, 1. August 2012

Erster August Zehnuhrsechsundfünfzig

Heute gibt es ein kleines Spätstück auf dem Balkon. Dem ersten Tag des Hochsommers angemessen. Der Himmel ist blau und fast ländlich still. Wir haben Ostwind. 


Das Frühstück besteht aus Haferflocken mit gedünsteten Aprikosen und Zucker und Zimt. Dazu trinke ich einen lustigen Tee aus blauen Basilikumblättern und frischem Oreganoblüten. Was so wächst. Ich höre den Flügelschlag der Ringeltauben, die hier in den Hinterhöfen nisten und fühle mich ein bisschen wie in Marrakesch, auf dem Dach eines schönen Altstadthauses, wo ich einmal war. Es hieß Riad Ifoulki. 


Die Aprikosen schmecken zu dieser Zeit überirdisch. Schön süß und ein bisschen nach Rosen. Sie sind aus Frankreich. eigene habe ich in diesem Jahr leider nicht. Die Blüten sind noch im März erfroren. Aber der heutige Tag lässt einen solche Frosttage vergessen. Ich muss mir eine Sonnenbrille holen, wenn das so weitergeht. Bei dem Wetter kommt eine angenehme südliche Trägheit über einen, die aber durchaus inspirierend wirkt. Die Pflichten verlieren ihre Härte. In der Ferne warten ein paar Texte und die Steuer.